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Dienstag, September 12, 2006

Dialektik

Nehmen wir an, eine Luzernerin zieht nach Berlin. Um zu studieren, zu arbeiten oder ihre künstlerische Karriere voranzutreiben. Welche Sprache spricht sie dort? Ganz bestimmt packt sie nicht ihr breites Lozärnerisch aus, sie redet vom ersten Tag an hochdeutsch. In London wäre es englisch, in Parma italienisch und in Avignon französisch, ist doch klar.
Ein bisschen anders gestaltet sich die Situation, wenn – sagen wir mal – drei Berner nach Zürich ziehen. Denen würde es nicht nur nicht in den Sinn kommen, sich der «sprachlichen Assimilation» einfach so hinzugeben. Im Gegenteil: Man wehrt sich mit allen Mitteln dagegen. «Wenn ich auch nur ein Wort Züridütsch rede, kannst du mich erschiessen» und ähnlich tönte es anfangs noch.
Ich weiss nicht genau, woher dieses militante verteidigen des eigenen Dialekts kommt. Vielleicht fürchtet man Identitätsverlust? Vielleicht ist man auch (lokal-)patriotischer als man denkt? Wohl beides. Jedenfalls, nach ein paar Monaten schleicht sich auch bei der WG Bäregrabe der eine oder andere Begriff ein. Viel ist es wahrlich (noch) nicht, das «hoi» hört man ab und zu, «trüle» beim Töggelichasten ist schon gefallen («trädälä» ist auch ein verdammt umständliches Wort). Alle andern Züri-Wörter werden dann schon eher ironisch gebraucht («Häsch mer es rääääuchi?»).
Wenn man aber nicht nur auf der eigenen beharrt, sondern in gewissen Bereichen der anderen Sprache gar nicht mächtig ist, kann das schon zu Kommunikationsproblemen führen. Wenn man beispielsweise in der Migros nach „Nidle“ sucht und der Verkäufer einen anschaut wie ein Fragezeichen. Was heisst denn jetzt „Nidle“ auf Züridütsch?